Einzelausstellung / Solo Exhibition   Schloss nymphenburg 2017

Eröffnungsrede zur Ausstellung „Einfach Anders“

von Corinna Weiss am 18. Mai 2017 im Geranienhaus –

 Schloss Nymphenburg

 

„Willkommen“ im Geranienhaus von Schloss Nymphenburg! Ein mit Blütenblättern bedecktes Fabelwesen reicht ihnen zur Begrüßung eine Blume der Erleuchtung und lädt Sie ein zum Anders-sein! Und das in einem barocken Ambiente, im welchen man das Andere – das Exotische im 17. Jahrhundert zu entdecken begann!

 

Die Künstlerin Corinna Weiss hätte keinen passenderen Ort für ihre Ausstellung „Einfach Anders“ wählen können. Knapp 300.000 Besucher aus allen Herren Länder schlendern Jahr für Jahr durch Schloss und Park. Wenn Sie sich auf eine der Parkbanken setzen, können sie Gesichter, Gewänder, Sprachen und Gesten unserer bunten Welt an sich vorbeiziehen lassen. Und Max Emanuel II., der Erbauer dieser barocken Anlage hätte sich über dieses bunte Treiben gefreut! Denn der Türkenbezwinger und Freund des venezianischen Karnevals liebte das Asiatisch und Orientalische – „Einfach Anders“-sein!

 

Ich muss gestehen, als Corinna Weiss mir die Bilder zur Ausstellung geschickt hat, hatte ich den Eindruck als hätte sie all die Schicksale, die sich in Schloss Nymphenburg abgespielt hatten, aufgesaugt und für unsere Zeit neu visualisiert. Max Emanuel II. hatte aus seinen Türkenkriegen 300 Beutetürken, vorwiegend Kinder- und Jugendliche, nach München bringen lassen. Diese „mohammedanischen Anderen“ wurden als Sänftenträger, Lakaien und Mätressen an die Adelshöfe gebracht. Durch die Kriege schwer traumatisiert, hätten die Köpfchen mit den Titeln „belagert“ und „besetzt“ sogleich bewegende Emotionen bei diesen Menschen ausgelöst.

 

In meinem Kopf beginnt beim Anblick dieser Bilder sofort ein Film von Eroberung, Zerstörung und Verschleppung abzulaufen. Aber das ist gerade das Magische an den Bildern von Corinna Weiss. Die Mädchen – ihre Mädchen – laden ein zur Reise ins Ich. Ihr direkter Blick nimmt einen sofort mit in diesen surrealen Raum in dem man auf Bilder und Gefühle des eigenen Lebens stößt. Es gibt keine vorgefertigte Geschichte, die mit den Titeln von Corinna Weiss‘ Bildern verbunden sind. Diese Bilder werden bei ihnen ganz andere Assoziationen hervorrufen als bei mir.

 

Zustand, Emotionen, Assoziationen sind die wichtigen Bestandteile in Corinna Weiss‘s Kunst. Nie liegt eine Version, eine Skizze den Bildern zugrunde. Die Künstlerin beginnt „einfach“, erschafft auf dem Bildträger eine Figur, die sich in der Schaffenszeit zu einem „ihrer Mädchen“ entwickelt. Mit der Gestaltung ihres Mädchens erwächst eine Symbiose aus menschlicher Figur, emotionaler Botschaft, Seelenwesen und letztendlich auch ein Titel. Dieser funktioniert oft wie eine Tür in eine Geschichte, in die innere Welt des Betrachters, der dann an der Hand des Mädchens seine eigenen Bilder betrachtet.

 

Aber erlauben sie mir dennoch die Bilder der Künstlerin Corinna Weiss hier in der Geschichte Max Emanuels wirken zu lassen! Was für ein Geschenk für eine Kunsthistorikerin, die Historie vor 300 Jahre mit modernen Werken von heute verbinden zu dürfen!

 

Als Max Emanuel 1686 aus der Eroberung von Buda (heute Budapest) zurückkehrte, da hatte er in den seit 150 Jahren osmanisch geprägten Balkan, die Badekultur des Hammam kennengelernt. Dazu kursierten seit hunderten von Jahren die Geschichten aus dem Harem der Sultane mit vielen exotischen Frauen in Europa herum. Dieses exotisch-Andere wollte der Kurfürst auch nach Hause bringen und hat mit der Badenburg, die sich hier im Schlosspark befindet, das erste beheizte Bad in Europa eingeführt. Das diente natürlich nicht der Reinigung, sondern war Spaßbad für Max Emanuel und seine Mätressen, die wie Badenixen, die sich auch im Dach des Bades tummeln, dem Herrscher einen paradiesischen Genuss bereiten sollten. Ob es auch für die Frauen ein Traum oder eher ein „Dornentraum“ war, in dem ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche im Verborgenen – unrespektiert blieben, diese Frage hat sich in den damaligen Machtkonstellationen nicht gestellt. So ist das exotisch-Andere für uns immer noch ein „Geheimnisträger“, unentschlüsselbar und daher so verführerisch. So fesseln uns nicht nur die Frauengestalten in der barocken Bilderwelt, sondern auch die Mädchen von Corinna Weiss. Die „Einfach Ander“-en Innenwelten sind die gleichen geblieben.

 

Wenn sie die Bilder „belagert“, „besetzt“ und „don’t touch me“ vergleichen, dann werden ihnen die Vögel auffallen, die die Frauen begleiten. Man mag sie Seelenwesen nennen oder Avatare der inneren Zustände, denn sie verdeutlichen die emotionale Lage. In „belagert“-en Zustand sind die Vögel eingewickelt, im Stoff des Turbans gefangen – bewegungslos. Oder kann sich das Mädchen aus dieser Belagerung – dieser Glocke aus schwirrenden Bildern nicht befreien? Ähnlich geht es dem Betrachter bei der Frau mit dem weißen Vogel auf dem Kopf. Ist sie von einer einzigen Vision, symbolisiert durch einen übergroßes Vogelwesen „besetzt“ oder verkörpert dieser eher einer weiße Friedenstaube, die sich schützend über einen „besetzten“ Zustand der Frau stellt? Bei Corinna Weiss sind die tierischen Begleiter Symbole emotionaler Zustände und zugleich Schutzwesen. Das zeigt sich deutlich in „dont’  touch me“ wo der Vogel schützend vor das Mädchen gehalten wird und gleichzeitig in ihren Armen beschützt ist. Haartracht und Federkleid sind in den gleichen Farben, den gleichen Duktus gehalten und vermitteln deutlich, dass es sich hierbei um die zwei Aspekte eines inneren Zustandes handelt. Der in „gelöst“ sowohl im Gesichtsausdruck des Mädchens als auch auf dem entspannt auf dem Arm sitzenden Vogel zur Wirkung kommt. Als wolle der Vogel nochmals auf die emotionale Haltung im wörtlichen Sinne hinweisen, nimmt er eine „gelöste“ Haarsträhne in seinen Schnabel. „Henne und Ei“ das Eine gibt es nicht ohne das „Andere“ – Beginn und Ende sind letztendlich eins!

 

Ich denke damit wird ihnen bewusst, dass jeder von ihnen eigene Bildwelten, Seelenzustände in sich trägt, also so ganz „Anders ist“. Warum machen wir dieses „Anders sein“ immer nur an Äußerlichkeiten fest? Und warum ist „Anders sein“ so negativ belegt? Corinna Weiss verdeutlicht in ihrer Serie der Köpfchen, die alle einen individuellen Namen „Samira“, „Lykke“, „Terra“, „Anna“ tragen, dass das „Anders sein“ unsere Welt bereichert, ja bunt macht! Corinna Weiss gibt ihnen eine klare Botschaft auf den Weg – „Seite an Seite“ in Respekt, Verbundenheit und auch Hingabe für das Fremde entwickelt sich ein Verständnis, nein sogar eine Liebe und die Erleuchtung, jeder ist, in seiner Art – einzigartig -  „Einfach Anders“!

 

von Dr. Karin Dohrmann